Architektur des Willibrordi-Doms

Was von außen zu sehen ist

Von Norden

Das schlichte Äußere des Doms wird geschmückt durch einen reich gegliederten Schaugiebel am nördlichen Querhaus. Eine gute Übersicht erreichen Betrachtende von der einmündenden Steinstraße aus.

Die Fassade wird von starken Strebepfeilern eingerahmt, über denen sich mit Fialen abgeschlossene Türme erheben. Den unteren Teil bildet das Fensternischenportal. Es war ursprünglich mit den drei Kirchenpatronen der Stadt – Willibrord, Antonius und Nikolaus - geschmückt. Heute steht hier Friedrich Wilhelm I, der Große Kurfürst, weil er die Stadt Wesel endgültig dem Herrschaftsgebiet von Brandenburg-Preußen zuordnete.

Das große, sechsachsige Fenster zeigt im Spitzbogen als beherrschende Maßwerkform einen großen Kreis mit vier rotierenden Fischblasen. Der die Fensternische abschließende Kielbogen stößt wie auch schon der Kielbogen der Portalnische in die nächste Zone vor.

Der besonders ausgebildete Giebel ist etwas zurück versetzt. Ihm ist eine feingliedrige Maßwerkgalerie vorgesetzt.

Das eigentliche Giebelfeld zeigt als beherrschendes Motiv einen großen Kielbogen. Vor seinem Mittelpfosten steht auf einer Konsole unter einem Baldachin der taufende Willibrord.

Über den Giebelschrägen erhebt sich ein durchbrochenes Maßwerkband mit vielen Kreisfüllungen, ausgefüllt mit jeweils drei rotierenden Fischblasen. Leichte Fialen klettern die Giebelschräge hinauf, überhöht von den Fialtürmen.

Die Fassade steigert sich in ihrem Schmuck. Viermal schließt jeweils eine Kreuzblume ein besonders betontes Architekturelement nach oben ab.

 

Von Süden

Das Brautportal
Wappenfelder aus dem Brautportal,
Herzoglich Klever Wappen und
Weseler Wappen

Die Südseite (Pastor-Boelitz-Straße) ist hervorgehoben durch das Brautportal mit seinem reichen bildhauerischem Dekor. Die neugotische Umgestaltung dieses Portals wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. 1987 bis 1991 wurde das Brautportal in seiner spätgotischen Form rekonstruiert. Erst 2014 konnte durch die Fertigstellung der Wappenfelder der Wiederaufbau des Brautportals nach der Zerstörung des Zweiten Weltkriegs abgeschlossen werden.

Das Fenster über dem Eingang ist durch einen Fries zweigeteilt. Oben befindet sich ein offenes Maßwerk. Ihm sind drei Konsolen vorgesetzt, worauf einmal in der Mitte Maria flankiert von zwei schwebenden Engeln standen. Über dem Baldachin ist ein Wappen, das im gespaltenen Schild Wesels drei Wiesel und den kaiserlichen Adler zeigt.

Die verblendete Fläche unter dem Fries ist durch zwei kielbogenartige abgeschlossene Maßwerke reich verziert. Zwei Rundmedaillons zeigen das Weseler Stadtwappen und das Wappen des Herzogs von Kleve.

Die tiefe Portalnische ist von je zwei Fialtürmen gerahmt. Sie klingt in der Höhe der Dachtraufe in einem krabbenbesetzten Kielbogen mit aufgesetzter Kreuzblume aus.

Zentrum der Südseite des Willibordi-Doms ist die hohe Querschifffassade. Sie ist dreigeteilt: Im unteren Teil ist wieder ein Fensternischenportal, über einem Gesims befindet sich das große sechsteilige Maßwerkfenster, darüber erhebt sich ein relativ schlichter Giebel mit einer Spitzbongenblende. Als Portalfigur ist seit 1896 Wilhelm I zu sehen, der „erste evangelische Kaiser“.

 

Von Osten

Die Ostansicht des Willibrordi-Doms am Großen Markt zeigt eine reiche Dachlandschaft und einen Chor-Dachreiter mit Glockenspiel. Von 10 Uhr bis 18 Uhr erklingen alle zwei Stunden weltliche und geistliche Lieder, für die Patenschaften übernommen werden können. Weitere Informationen finden Sie unter www.kirche-wesel.de.

Überragt wird das Dach von einem hohen Turm, dessen Helm 1978 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung aufgesetzt wurde. Ein Jahr später wurde mit einem Helikopter das Kreuz aufgesetzt.

Vom Großen Markt aus wird die ganze Breite des Doms sichtbar. Bestimmend für die lastende Schwere des Gebäudes sind die Aufsicht auf das beherrschende Querschiffdach, aber auch das umlaufende Kaffgesims und der umlaufende Sockel.

Die Walmdächer des Chorumgangs, die jeweils zwei Kapellen zusammenfassen, gliedern dagegen das mächtige Gebäude. Der hohe Turmhelm im Hintergrund -kontrastiert vom Chorreiter- “zieht“ nach oben.

Dass auch die Globalisierung bei den Arbeiten am Dom ein Gewicht hatte, untermauert ein großer Steinquader an der Südseite der Fassade. Seine Inschrift erinnert an Peter Minuit, einst Diakon an der Weseler Kirche. In niederländischem Auftrag unterwegs, soll Minuit 1626 die Insel Manhattan gekauft und damit einen Grundstein für die Weltstadt New York gelegt haben.

 

Von Westen

Ein Kennzeichen für die niederrheinische Spätgotik ist der eingebundene Westturm. Hiermit setzte sie sich deutlich von der französisch beeinflussten doppeltürmigen Kathedralgotik ab.

Ein Turm mit einem hohen Helm war in der niederrheinischen Tiefebene weit sichtbar. In den Städten diente ein solcher Turm, der das gesamte Stadtbild überragte, nicht zuletzt der städtischen Repräsentation. So gehörte der Turm der Weseler Stadtkirche, der als Wachturm diente und bis 1594 der höchste Kirchturm am Niederrhein war, noch bis 1887 der Zivilgemeinde.

Uhren und Glocken waren ebenfalls in städtischer Obhut.

Der Weseler Turm besteht aus zwei hohen Geschossen. Das untere wird nach Westen fast ganz durch ein übergroßes Maßwerkfenster ausgefüllt. Dieses Fenster ist mit den beiden Rechteckportalen in einer einzigen, tief eingeschnittenen Spitzbogennische zusammengefasst. Ein solches Fensternischenportal ist besoders typisch für die niederrheinische Spätgotik.

Das Obergeschoss ist ebenso hoch wie das Untergeschoss. Es ist senkrecht dreifach gegliedert, in der Mitte jeweils im oberen Teil als Schallfenster ausgebildet und im Übringen mit gegliederten Blendnischen versehen. Auf dem Turmschaft erhebt sich aus einem niedrigen Mauerviereck der steile achteckige Helm. Die 1978 aufbrachte Holzkonstruktion zeigt wieder die spätgotische Knickung, ist schiefergedeckt und mit einem schmiedeeisernen Kreuz überhöht. Das Kreuz befand sich vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg auf der Mathenakirche und wurde per Helikopter auf den Helm gesetzt.

Die Gesamthöhe von Turmschaft und Helm beträgt 94,50 Meter. Die umlaufende Balustrade ist mit einer Maßwerkgalerie mit überhöhten Fialtürmchen umgeben. An besonderen Tagen sind Turmbesteigungen über die 216 Stufen möglich.

Auffällig sind noch die Giebelschrägen des seitlichen Mauerwerks. Sie waren ehemals bei der Dreischiffigkeit der Kirche die seitlichen Abschlüsse der Pultdächer und überdauerten alle Umbauten. Das Mauerwerk ist, wie an der Kirche insgesamt, mit Tuffstein verblendet und an den Eckkanten in Sandstein ausgeführt.

 

Und was ist im Innenraum zu sehen?

Das Überraschende an Wesels „grooter Kerk“ ist der Innenraum:

Er ist weiträumig, beeindruckt durch seine Helligkeit und wirkt überaus großzügig. Obwohl der Innenraum architektonisch aus sechsundvierzig Teilräumen besteht, macht er einen einheitlichen Gesamteindruck.

Der Willibrordi-Dom ist eine fünfschiffige Basilika mit einem Chorumgang: Das Mittelschiff mit dem Chor und das breite Querschiff sind mehr als doppelt so hoch wie die seitlichen Langhausschiffe.

Der Raum hat seinen Mittelpunkt in der Vierung. Dort durchschneidet das Mittelschiff, verlängert um den Hohen Chor, das Querschiff. Auf diese Weise bildet sich das für eine gotische Basilika typische Raumkreuz.

Es wird im Willibrordi-Dom durch die Gestaltung der Decke betont: Sie ist auffällig in Holz ausgebildet, im Mittel- und Querschiff als Flachdecke, im Hohen Chor als spitzbogiges Tonnengewölbe.

Die kreuzförmige Durchschneidung der gleich breiten Schiffe im Zentrum bei wenig hohen Seitenschiffen gibt der Kirche im Inneren annähernd den Charakter eines Zentralraums. Das wird mitbedingt durch die Tatsache, dass im Willibrodi-Dom das Querschiff seitlich nicht über die Längsschiffe hinausragt, sondern mit seinen Frontseiten Bestandteil der Außenwand ist. Dadurch entsteht –abgesehen vom Chormungang- ein fast rechteckiger Grundriss.

Die Zentralwirkung des Raums wird durch die Gestaltung der Vierung und den unkonventionellen Aufbau der Orgel im Hohen Chor noch verstärkt.

Altarbereich mit Orgel

Das Tageslicht findet aus den vielen Teilräumen Einlass in die Kirche. Im Querschiff nehmen große Fenster fast die ganze Wandfläche und die Frontflächen oberhalb der Seitenportale ein.

Auch der Hohe Chor und der Chorumgang sind rundum mit Maßwerkfenstern besetzt. Lediglich im Mittelschiff fällt das Licht hoch in der Wandzone aus kleinen Oberfenstern seitlich in den Raum, während die tiefen Fensternischen darunter verblendet sind. Die Vielzahl der Fenster insgesamt, die alle mit klarem Antikglas verglast sind, sorgt für die sonst in historischen Räumen ungewohnte Helligkeit. Auch sie steigert sich zum Zentrum, zur Vierung. Von Westen her lässt in der Turmhalle das hohe sechssteilige Portalfenster, farbig gefasst, das Licht gedämpft und eindrucksvoll einfallen.

Die Wandflächen und die gewölbten Decken waren ursprünglich farbig ausgemalt. Sie sind heute weiß gestrichen und vermitteln so einen ruhigen Gesamteindruck, der aber keineswegs eintönig ist. Zu den großen weißen Fläche kontrastieren die grauen Natursteine mit ihrer oft stark strukturierten, ungestrichenen Oberfläche. Sie finden sich an den Pfeilern, den Rundstützen, an den Arkadenbögen und den Gewölberippen der Seitenschiffe. Zusammen mit der dunkeln Holzdecke aus Tanne und Fichte bekommt der Raum durch sie eine bestimmte Lebendigkeit. Er vermittelt das Gefühl von Klarheit und Wärme. Der dunkelgraue Schieferboden macht den Raum glanzvoll und festlich. Trude Cornelius urteilte in der Veröffentlichung „Rheinische Kunststätten“ (Heft 113, 1. Auflage) Willibrord „ist der großartigste historische evangelische Kirchraum des Rheinlandes“.

 

Die Gewölbe

Quelle. Horst Cramer

Einst ermöglichte die Verwendung des Kreuzrippengewölbes in Frankreich die Entstehung der Gotik. Später entwickelten sich beim Vorrücken der Gotik in Europa aus dem Kreuzrippengewölbe durch Umgestaltung der Grundidee Stern- und Netzgewölbe. Die ausklingende Gotik steigerte sich schließlich an wenigen Stellen zu überreichen und äußerst komplizierten Ziergewölben.

Im Willibrordi-Dom sind Beispiele für all diese Arten der Wölbung vorhanden. Der Gewölbereichtum der Kirche ist “nach Erfindung und Vielfalt der wichtigste im nordwestdeutschen Kunstgebiet“ (Ulrich Reinke, Spätgotische Kirchen am Niederrhein …, Diss. Münster 1975).

 

Kreuzrippegewölbe

Zwei einfache Kreuzrippengewölbe finden sich im äußeren südlichen Seitenschiff. Auch diese Gewölbe waren ursprünglich formenreicher ausgelegt. Als aber 1594 der Turmhelm nach einem Blitzeinschlag auf diesen Teil der Kirche stürzte, wurde die Wiederherstellung in der Grundform vorgenommen. Heute hat ebenfalls die Turmhalle ein Kreuzrippengewölbe. Es ist in der Mitte mit einem Glockering versehen, der mit einem Holzboden geschlossen ist.

 

Sterngewölbe

Sterngewölbe sind in der Kirche vorherrschend. Ein Sterngewölbe entsteht in seiner einfachsten Form, wenn alle Winkel der vier Felder eines Kreuzrippengewölbes durch zusätzliche Rippen halbiert werden.

Sterngewölbe dieser Art sind alle Gewölbe westlich des Querschiffs. Eine Abwandlung findet sich aber bereits in den drei Gewölben, die sich neben dem Südportal an der Außenwand befinden: Hier sind die ursprünglichen Diagonalrippen des Grundmusters weggelassen, so dass ein großflächiger Stern entsteht. Dieser ist zusätzlich in der Mitte durch einen Kranz aus Segmentformen mit angesetzten Lilien bereichert. Der eigentliche Schlusstein fehlt.

Östlich des Querschiffs entfaltet sich in den Gewölben der ganze Reichtum der Formgebung: Hier finden sich in den dortigen Seitenschiffen immer neue Abwandlungen des Sterngewölbes, aber auch die Beispiele weiterer Gewölbearten. Lediglich im Chorumgang sind die sieben Gewölbefelder schlichter ausgeführt. Hier werden drei Sterngewölbe von Zwischenfeldern gerahmt, die fünf einfache Rippen ohne jeden zusätzlichen Schmuck zeigen.

 

Netzgewölbe

Nachdem in der Gotik das System der Kreuzrippe einmal abgewandelt war, entstand als Variante zu den verschiedenen Formen der Sterngewölbe das Netzgewölbe. Hierbei bilden die sich durchdringenden tragenden Rippen ein Netz von Rauten. Zwei Beispiele dafür sind im Willibrordi-Dom die Wölbungen der beiden Deckenfelder der inneren Seitenschiffe unmittelbar vor dem Chorumgang. Dabei wird im nördlichen in der Mitte des Netzes ein vierseitiger Stern gestellt. Im südlichen finden sich ein Kreis mit vier rotierenden Fischblasen. Auch die Sakristei in der Kirche ist netzgewölbt.

 

Ziergewölbe

Zwei Räume der Kirche zeigen Ziergewölbe in beispielhaftem Formenreichtum. Sie sind jeweils in zwei Ebenen konstruiert, das heißt, sie haben eine tragende und eine frei schwebende Rippenführung. Beispiele dieser Art finden sich sehr selten, meist um bestimmte Kapellen besonders hervorzuheben.

Die Alyschlägerkapelle, der durch zwei Stufen erhöhte Raum neben dem Nordportal, war die Grabstätte der Familie Bars, genannt Alyschläger, die zur Bauzeit den Landrentmeister des Herzogtums Kleve stellte. Grundmuster der Wölbung ist hier ein tragendes Sterngewölbe. Zusätzliche lösen sich weitere Diagonalrippen auf kleinen Konsolen vom Gewölbegrund. Sie bilden ein aufgehängtes, filigranes Netz von Spitzbögen und anderen Maßwerkformen als zweite Ebene, 60cm unter der tragenden Wölbung. Die Knotenpunkte des Schweberippengewölbes sind mit Abschlussplatten versehen: In der Mitte das Familienwappen mit drei Barschen, auf den Außenplatten Engel mit den Marterwerkzeugen Christi.

In der Heresbachkapelle, dem durch schmiedeeiserne Gitter abgetrennten Sonderraum, findet sich das zweite Beispiel. Die Kapelle ist im Mittelalter als Kreuzkapelle ein besonderer Raum gewesen. Sie wurde mit Unterstützung des Herzogs von Kleve durch das Ziergwölbe ausgezeichnet. Dieses Gewölbe ist vollständig zweischalig. Grundmuster ist ein kühn variiertes Schleifen-Sterngewölbe. Darunter befindet sich ein demgegenüber in den Einzelheiten veränderten zweiter Stern. Er ist gegen den tragenden Deckenstern um 45 Grad gedreht und hat seinen tiefsten Punkt mehr als einen Meter unter der Wölbung. Unter dem Schlussstein schwebt ein Engel. Er trägt das Wappen von Jülich-Kleve-Berg. Die meisterhafte, überreiche Konstruktion strahlt bei aller Bewegung große Ruhe aus. Sie ist ein Höhepunkt spätgotischer Steinmetzkunst.

Was es sonst noch zu sehen gibt:

Auch Gedenksteine und Inschriften gehören zu den historischen Schätzen des Doms.

Für Besucher/-innen besonders interessant sind Informationen über die Geschichte des Doms im Dokumentationsbereich "Dom-Zeiten".

Zeitgenössische Kunst ist zudem zu sehen. Der „Weseler Altar“, von Ben Willikens aus Stuttgart, 1996 geschaffen, erinnert an die lange Tradition der Altäre und Bildwerke.

Quelle: Studio B