75 Jahre Willibrordi-Dombauverein Wesel e.V.

Jubiläumsveranstaltung im November

"Die Stadt Wesel lag nach dem Zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche und auch der prächtige Dom war bis auf die Grundmauern zerstört. Bereits 1947 machten es sich Männer und Frauen aus der Kirchen- und Stadtgemeinde zur Aufgabe, diesen zerstörten Dom wieder aufzubauen und gründeten zu diesem Vorhaben am 15. November 1947 den Willibrordi-Dombauverein."

Mit diesen Worten lud der Vorsitzende des Willibrordi-Dombauvereins, Fred Störmer, zahlreiche Gäste zur Jubiläumsveranstaltung am 24. November 2022 ein. 

Viele kamen und erfreuten sich an einer abwechslungsreichen und kurzweiligen Veranstaltung,
die musikalisch durch den Domkantor Ansgar Schlei an der Markussen-Orgel umrahmt wurde. 
(Quelle: Eginhard Brandt)

Fred Störmer begrüßte die Gäste und berichtete von einigen besonderen Ereignissen: "Es war ein Glück, dass seitens des neuen Landes Nordrhein-Westfalen Mittel für den Wiederaufbau und die Reparatur von Kirchengebäuden bereitgestellt wurde, nämlich für Dome. 

 

Fred Störmer
(Quelle: Eginhard Brandt)
Thomas Bergfeld
(Quelle: Eginhard Brandt)
Thomas Brödenfeld
(Quelle: Eginhard Brandt)
Dr. Martin Roelen
(Quelle: Eginhard Brandt)

 

Es gibt die Anekdote, dass der sehr beherzt agierende seinerzeitige Pfarrer Heinrich Schmitz aus Wesel feststellte, dann ist die Willibrordi-Kirche eben ein Dom. Ja, seitdem sprechen wir vom Willibrordi-Dom."

Grußworte von Ulrike Westkamp (Bürgermeisterin der Stadt Wesel), Thomas Bergfeld (Vorsitzender des Presbyteriums), Thomas Brödenfeld (Superintendent) und Stefan Sühling (Kreisdechant) betonten verschiedene Aspekte der Geschichte und des Wirkens des Willibrordi-Dombauvereins. 

Von "alten Zeiten", besonderen Ereignissen und Erlebnissen berichteten anschließend lebendig Hans Masholt und Karl-Heinz Tieben, die als Ehrenmitglieder des Dombauvereins dessen Geschicke viele Jahre entscheidend prägten.

Dr. Martin Roelen referierte danach zu den Anfängen des Willibrordi-Dombauvereins:

"Im Stadtzentrum herrschte damals, 1945, Stillstand. Es war die Zeit der Mangelwirtschaft. Es mangelte an Allem, vor allem an Wohnraum, so dass das Gros der Bevölkerung gar nicht mehr in Wesel lebte. Gebaut werden durfte nicht; das vorhandene Baumaterial wurde eingesetzt zum Reparieren... Der Schwarzhandel blühte angesichts der katastrophalen Ernährungslage und die Unzufriedenheit über den sicht- und fühlbaren Stillstand machte sich vor allem bei der bauwilligen Kaufmannschaft bemerkbar.

Das war knapp umrissen die Situation, als sich vor 75 Jahren einige Mitglieder der evangelischen Kirchengemeinde zusammensetzten und angesichts der begonnenen Trümmerbeseitigung in der Stadtkirche den Beschluss fassten, eines der Wahrzeichen der untergegangenen Stadt wiederherzustellen und zum Zwecke des Wiederaufbaus einen Dombauverein zu gründen.

Das war schon eine mutige Entscheidung in einer Zeit der einsetzenden Resignation." 

Hinzukam, dass es zu der Zeit weder einen Marshallplan gab, die Finanzierung der Enttrümmerung und des Wiederaufbaus nicht absehbar und nichts auf das kommende Wirtschaftswunder hindeutete. 

Die Altstadtkirche Willibrord war nur noch ein Torso: Die Dächer waren zerstört, der Turm schwer beschädigt, der Chorumgang fast zur Hälfte zerstört, die meisten Fenstermaßwerke herausgebrochen, von den Gewölben bleiben nur wenige erhalten. Die Männer der ersten Stunde, unter ihnen Dr. Hans Momburg, Dr. Hans Tienes und Prof. Walter Luyken, hatten angesichts diese Zerstörung viel Optimismus, Mut und Weitsicht. 

Unterstützung gab es immerhin vom Landeskonservator, Clemens Graf Metternich, und Philipp Pappaport vom Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk. "Der Dombauverein profitierte wahrscheinlich davon, dass er genau zum richtigen Zeitpunkt gegründet worden war," so Martin Roelen weiter. "Die vom Stadtrat beschlossene Beseitigung der Reste des Berliner Tors führten nämlich beim Beginn der Abrissarbeiten zu erheblichen Protesten der Bevölkerung, die letztlich erfolgreich waren. Einen Abriss historischer Gebäude in Wesel verfolgte nach diesen Ereignissen im Herbst 1947 niemand mehr. Gerade im Gegenteil begannen nun Versuche, die noch erhalten Reste zu sichern und zu erhalten." 

Dementsprechend begannen wenige Monate nach der Vereinsgründung die Arbeiten zur Sicherung der Trümmerreste (Januar 1948).

1949 beschloss das Ministerium, dass die Kirche "wieder den Charakter eines niederdeutschen Bauwerks" erhalten solle. Damit war klar, dass die neugotische Überformung des 19 Jahrhundert aufgegeben wurde zugunsten des mittelalterlichen Erscheinungsbildes. Eine wegweisende Entscheidung!

Anwesende Vorstandsmitglieder von links:
Fred Störmer, Dr. Dirk Fey, Rolf Tenhaeff, Karsten Tieben,
Dieter Rudolph und Thomas Bergfeld. 
(Quelle: Eginhard Brandt)
Prof. Dr. Dr. Wolfgang Deurer
(Quelle: Eginhard Brandt)

Die Beschaffung von Geldern für den Wiederaufbau und den Erhalt des Kirchengebäudes sowie deren sach- und fachgemäße Ausführung ist und bleibt aber die Hauptaufgabe des Willibrordi-Dombauvereins. Diese Aufgabe nimmt der Verein für die Evangelische Kirchengemeinde wahr. Die enge Verzahnung zwischen beiden Beteiligten zeigt sich auch darin, dass vier Vorstandsmitglieder von der Evangelischen Kirchengemeinde als Beisitzer bestimmt werden. 

Der Verein ist selbstlos tätig. Der Vorstand arbeitet ehrenamtlich.

Die Liste der Vorsitzenden ist gar nicht lang: Hans Momburg, Herbert Kindsvater, Walter Stempel, Karl-Heinz Tieben und bis Ende 2022 Fred Störmer. 

Mit der Wiederaufbauplanung wurden die Architekten Fritz Keibel und Jakob Deurer beauftragt. Unter Geschäftsführung des Dombauvereins ging die Dombauhütte in den ersten Jahrzehnten mit fachkundigen Handwerkern ans Werk.

Wolfgang Deurer leitete nach dem frühen und plötzlichen Tod seines Vaters die Geschicke 60 Jahre lang. Sein berufliches Leben drehte sich im Wesentlichen um den Aufbau und Erhalt des Doms.

Berge von Schutt mussten zunächst entsorgt werden. 1949 konnte unter freiem Himmel der erst Gottesdienst gefeiert werden. 

Stück für Stück wurde das Gotteshaus wiederaufgebaut, 1978 mit einer spektakulären Aktion durch das Aufsetzen des Turmhelms bereichert und 1994 durch das Glockenspiel mit Dachreiter vollendet. 

Insgesamt knapp 20 Millionen Euro sind in den 75 Jahren verwendet worden: Öffentliche Fördergelder, Lotterieeinnahmen aus dem Spiel 77 (mit den anderen großen Dombauvereinen in NRW), Spenden und Mittel der Kirchengemeinde und der Stiftung, die sorgfältig verwaltet und ausgegeben wurden.

Der derzeitige Unterhaltungsaufwand liegt bei ca. 240.000€. Die Sanierung der Elektro- und Heizungsanlage sind derzeit die wichtigsten Aufgaben. 

Der Zweck des Vereins ist die Förderung des Denkmalschutzes sowie Kunst, Kultur und Wissenschaft.

Daher wird die Kirche im Zusammenwirken mit der Evangelischen Kirchengemeinde Wesel für kulturelle Zwecke zur Verfügung gestellt (Führungen, Konzerte, Ausstellungen), historische Kirchenrechnungen und andere Forschungsergebnisse werden veröffentlicht und die Teilnahme an städtischen Aktionstagen sowie dem Tag des offenen Denkmals sind selbstverständlich.

Präses Dr. Thorsten Latzel interessierte
sich für die Dauerausstellung 2021. 
(Quelle: Evgl. Kirchengemeinde Wesel)

Die Dauerausstellung zur Geschichte des Willibrordi-Doms zieht immer wieder Interessierte an.

Die zunächst umstrittenen Prinzipalstücke wurden von Fachleuten hoch gelobt.

Das Welcome-Desk, die moderne Licht- und Tonanlage und zukünftig die Möglichkeit einer digitalen Erwachsenen- und Kinderführung in drei Sprachen sind Zeugnisse für die Zweckerfüllung in jüngster Zeit. Immer in Absprache mit der Evgl. Kirchengemeinde. 

Dr. Frank Dießenbacher bei der Vorstellung des zukünftigen Mediaguide
(Quelle: Eginhard Brandt)

Einen Blick in die (digitale) Zukunft zeigte Dr. Frank Dießenbacher zum Schluss der Jubiläumsveranstaltung:

Der Willibrordidom wird komplett mit WLan ausgestatt, das jedem Gast erlaubt, mit einem Smartphone einen Mediaguide in Anspruch zu nehmen. Als Erwachsenenführung, bald auch für Kinder, in deutsch, englisch und niederländisch.

Eine Kostprobe zeigte Dr. Frank Dießenbacher, der den Mediaguide im Auftrag des Willibrordi-Dombauvereins erarbeitet hat. 

Mit netten Gesprächen und Köstlichkeiten ging die Jubiläumsveranstaltung später zu Ende. 

Vortrag Dr. Martin Roelen

Rheinische Post 16.11.2022, Fritz Schubert, Warum die Arbeit des Dombauvereins für Wesel so wichtig ist

https://rp-online.de/nrw/staedte/wesel/willibrordi-dombauverein-wesel-jubilaeum-wird-gefeiert_aid-80042637